THEATERPRODUKTION 98/99 AEHLF /EBGS- DINSLAKEN
büchnerwoyzeck
Prolog
(Von der Decke hängt ein Rasiermesser herab, der
Narr tritt auf und läßt das Messer weit über die Köpfe
des Publikums schwingen, Hauptmann und Woyzeck erstarrt im Halbdunkel)
Narr (löst das Messer vom Seil und legt es
Woyzeck in die Hand)
O schauerliche Lebenswirrn,
wir hängen hier am roten Zwirn !
Die Unke unkt, die Spinne spinnt,
und schiefe Scheitel kämmt der Wind.
O Greule, Greule, wüste Greule !
„Du bist verflucht !“ so sagt die Eule.
Der Sterne Licht am Mond zerbricht.
Doch dich zerbrachs noch immer nicht.
O Greule, Greule, wüste Greule !
Hört ihr den Ruf der Silbergäule ?
Es schreit der Kauz: pardauz ! pardauz !
da tauts, da grauts, da brauts, da blauts !
*
woyzeck / Frederik Geisler
marie / Britta Kappel
doktor / Jörg Höllerich
hauptmann / Dustin Peters
schausteller / Claudia Koall
narr / Ekin Yilmaz
margret / Dagmar von Forstner
andres / René Welfonder
großmutter / Anne Fuchs
*
regie / Jochen K. Gerberding
technik / Junk, Triepel, Zigahn
fotos / Karin Koster
*
Wenn der letzte Vorhang fällt...
Reflexion eines Theaterprojekts
Jetzt ist es passiert: Der letzte Vorhang ist gefallen.
Ein wunderschöner Theaterabend ist
vorüber und der Schlussapplaus klingt mir noch in
den Ohren , während ich an der Rampe
sitze und wehmütig in den leeren Saal schaue. Auf
dem Boden, zwischen den Stühlen leere
Sektgläser, zerrissene Eintrittskarten, Programme
mit unseren Namen.
Das war die letzte Aufführung. Nie wieder werden
wir dieses Stück zusammen spielen, dieses
Stück, an dem wir sieben Monate lang gearbeitet
haben, das mit uns und an dem wir
gewachsen sind.
Ich versinke in Erinnerungen an die letzten Wochen. Lächeln
muss ich, als ich an den Tag
denke, an dem ich "Woyzeck" zum ersten Mal las. Frustriert,
weil ich nichts verstand und
dennoch hartnäckig, weil es mich doch irgendwie
faszinierte, versuchte ich mich
durchzukämpfen Und es funktionierte. Von einem Lesen
zum nächsten verstand ich mehr; bei
jedem Lesen entdeckte ich etwas Neues. Plötzlich
machte alles Sinn und: Es gefiel mir.
Bei den Proben rügten sich die einzelnen Szenen
zu einem Ganzen zusammen. Es war ein so
tolles Gefühl, mitzubekommen wie das Stück
anfängt zu leben.
Natürlich gibt es auch Momente, in denen man sich
nicht so toll gefühlt hat.
Zum Beispiel wenn man drei Stunden an einer "mickrigen"
Szene arbeitet und das Gefühl
hat einfach nicht weiter zu kommen. Oder wenn man sich
weitaus Besseres vorstellen kann,
als sich nach einem sowieso schon stressigen Tag noch
hochkonzentriert auf die Bühne zu
stehen.
Doch das alles ist spätestens bei der Premiere vergessen.
Wenn du dort oben stehst, vergißt du
auch die letzte Nacht, in der du trotz autogenem Training
und anderer Hausmittelchen vor
Lampenfieber viel zu kurz geschlafen hast. Du stehst
dort oben, bist eins mit deiner Rolle,
die Bühne ist dein zu Hause und du lebst für
ein paar Stunden in einer anderen Welt.
Manche Schauspieler können angeblich so in ihre
Rolle versinken, dass sie nicht einmal merken,
wenn etwas anbrennt, doch selbst dann fackeln sie nicht
lange!
Während ich so dasitze und vor mich hin philosophiere,
setzt Frederik, mein Woyzeck, sich
zu mir. Auch er schaut schwermütig und doch zufrieden.
Jedes Wort wäre jetzt überflüssig.
Ich fühle was er denkt und fühle mich auch
von ihm verstanden.
Jetzt ist der Saal leer. Doch er wird sich wieder füllen.
Ganz bestimmt!
Ich weiß jetzt wofür ich in den letzten Monaten
so viel gegeben und getan habe und ich weiß:
Ich werde es wieder tun !!! Britta Kappel