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Rheinische Post vom 24. Dezember 2004
WEIHNACHTEN 2004
VON JÖRG WERNER
DINSLAKEN Und es begab sich zu jener Zeit, dass wieder einmal
ein neues. Schulfach eingeführt würde. „Kuda" hieß es -
griffig abgekürzt: Kunst und darstellendes Spiel. Nur, was nützt
ein solches Fach, wenn die, die's angeht, sich nichts Richtiges darunter
vorstellen können? Aber wie bringt man ein Schulfach den Schülern
näher? Ganz einfach, indem man zeigt, was es leisten kann.
So wurde an der Ernst-Barlach-Gesamtschule das Weihnachtstheater geboren.
Die Kuda - Schüler aus den achten Klassen erarbeiteten ein Weihnachtsstück,
zu dessen Aufführung sie die Schüler aus den fünften und
sechsten Klassen ihrer Schule einladen wollten.
Dann hatte Arno Oster noch eine Idee. Warum eigentlich nur für
die eigenen Schüler Theater machen? Also ging eine Einladung an die
Schüler aller Dinslakener Grundschulen. Die Idee kam an. Vor zehn
Jahren war das. Und seitdem ist für einige Schüler - die der
Kurse Kunst und darstellendes Spiel - und natürlich einige Lehrer
an der Ernst-Barlach-Gesamtschule im Grunde das ganze Jahr über Weihnachten.
Über 2000 Besucher, davon 1500 Grundschüler, sahen in diesem
Jahr die Aufführung des Jubiläumsstücks. Zum Zehnjährigen
wurde Hans-Christian Andersens Märchen von der Prinzessin auf der
Erbse kurzerhand in den Orient verlegt und zur „Prinzessin auf der Kichererbse",
aufwändig inszeniert, mit einem märchenhaften Bühnenbild,
einer zauberhaften Choreografie, zwei Schul-Bands, selbst geschneiderten
Kostümen und... und... und ... „Da war fast die gesamte Schule beteiligt",
sagt Regisseur und EBGS - Theatermann Jochen K. Gerberding.
Die Anfänge, so erinnert er sich, waren da etwas: bescheidener.
Begonnen, hat alles mit „Ein Weihnachtsmann kommt selten allein. ..." Für
die erste Aufführung hatte Gerberding „Die Falle" von Robert Gernhardt
bearbeitet. Die Inszenierung schlug ein," machte nicht nur den Beteiligten
mächtig viel Spaß sondern auch dem jungen Publikum. Dann ging's
Schlag auf Schlag. Jedes Jahr ein, neues Stück. „Die Mondfahrt", die
freilich nicht Peterchen unternehmen durfte, sondern seine gedoppelte Schwester
Anne (und) Liese.
„Und wir wünschen euch allen ein schönes Weihnachtsfest“
Das Bühnenbild - Manfred Hermanns ist dafür zuständig - wurde aufwändiger. Bei „Cinderella" Weihnachten 2001 wurde den Zuschauern erstmals auch eine ausgeklügelte Choreographie geboten, für die, Jutta Simon verantwortlich zeichnete. Sie und ihre Tänzer begeisterten auch bei der jüngsten Aufführung. So wurden, immer mehr Kurse in das weihnachtliche Vergnügen einbezogen. Das Programmheft des Jubiläumsstücks listet so viele heilende Hände auf wie nie zuvor. Beteiligt waren diesmal auch Musiker unter der Leitung. von Lutz Weigang, die Kostümbildner von Sabine Dicke, Dekorateure unter der Leitung von Jutta Wittchen, Andreas Welna sorgt für die musikalischen Spezialeffekte, Jochen Damkes Köche übernahmen das Catering und trugen so das ihre zum Gelingen des „Weihnachtsfestmenüs“ bei.
Das alles bedarf natürlich einer umfangreichen Vorbereitung, die schon früh im Jahr beginnt. „Die Schüler entwickeln Ideen, machen Vorschläge für das neue Stück", erzählt Gerberding: Dann wird gemeinsam gelesen und wenn dann die Entscheidung: für ein Stück gefallen ist, geht's ans Umsetzen. Schüler schreiben Dialoge und Szenen und dann verabschiedet, sich Gerberding mit einem Koffer voll Papier in die Sommerferien, um aus dem ganzen Material das Stück zu formen. Und oft genug saß er bei hochsommerlichen Temperaturen in Badehose an irgendeinem Strand, als er ein neues Stück mit den traditionellen Weihnachtsgrüßen „Und wir wünschen euch allen ein schönes Weihnachtsfest“ beendete.
„Bei einer Inszenierung erreichen wir die Schüler als ganze Person“
Aus den Ferien zurück werden andere Kurse beteiligt, geht's an die Probenarbeit. Und das ist wirkliche Arbeit. Das ist Gerberding wichtig. „Die Schüler müssen schon begreifen, dass es nicht nur darum geht, selbst bei einer Inszenierung Spaß zu haben, sondern dass auch das Publikum Spaß haben muss." Und anders als bei „normalem" Schülertheater, bei dem zumeist von vornherein begeisterte Eltern und Verwandte auf den Zuschauerrängen sitzen, spielen die Darsteller des EBGS - Weihnachtstheaters vor einem zwar jungen, aber durchaus kritischen Publikum.
„Da spüren unsere Schüler dann ganz schnell, wenn eine Aufführung
mal nicht so gut gelungen ist", hat Gerberding erfahren. Und so ist für
ihn gerade in „Pisa-Zeiten" Kuda ein besonderes Instrument. „Die Erarbeitung
einer Inszenierung schult ja auch Disziplin, Sozialverhalten, Organisationsvermögen,
Zuverlässigkeit, Engagement - da erreichen wir den Schüler als
ganze Person", sagt er. Dass das Ganze den Schülern dennoch viel Spaß
macht, zeigt die Tatsache, dass sich Gerberding keine Sorge um Nachwuchsdarsteller
machen muss. Im Gegenteil. Und vom Spielen abhalten lassen sich die EBGS
- Schüler durch fast nichts. Nicht durch kleine Pannen,
auch nicht durch etwas größere. Einmal zum Beispiel war die
Heizung in der Aula ausgefallen. Da wurden beim Deutschen Roten Kreuz kurzerhand
300 wärmende Decken fürs Publikum geordert. Gebraucht wurden,
sie dann doch nicht. Rechtzeitig vor der Aufführung sprang die Heizung
wieder an.
Und viele, die dann irgendwann auf der Bühne stehen oder dahinter
agieren, haben ein paar Jahre vorher im Zuschauerraum gesessen und ebenso
viel Spaß gehabt, wie die, die für sie spielten.
Kamel im Sandsturm
- DIALOG Aufgezeichnet im EBGS-Lehrerzimmer
Theater an der Ernst-Barlach-Gesamtschule macht nicht nur den Schülern
Freude, sondern bereitet auch dem kompletten Kollegium vergnügliche
Momente, wie der nachfolgende Dialog aus dem. Lehrerzimmer zwischen Jochen
K. Gerberding und dem für die musikalische Spezialeffekte zuständigen
Andreas Welna über das neue Stück zeigt. Welna hat das Gespräch
für das Jubiläums-Programmheft aufgezeichnet.
J.K.G. Hör mal, ich brauche dringend einen Saridslurrn, kannst
du 'nett S and stur m maulen?
A.W. Was denn für'n Sandsturm?
J.K.G. Na, einen Sandsturm eben, so mit huiiii, rauschen und viel
Sand in den Ohren.
A.W. Klar, krieg ich hin, kannste haben,
J.K.G. (kurze-Pause) Ich brauche aber auch noch ein röhrendes
Kamel.
A.W. Ein was, bitte?!?
J.K,G. Ja, so ein Kamel, das in einem Sandsturm orientierungslos
so rumröhrt.
A.W. Meinst du so? (Er, macht erstklassige Kamel-in-Sandsturm-Geräusche,
erste, angsterfüllte Blicke, der Kollegen treffen ihn.)
J.K.G. Mensch, so hört sich doch kein Kamel an, das ist ein
Seehund.
A.W, Nun ja, du hast Recht,. Aber ich kann nur Seehund. (Er lässt
erneut diese markerschütternden Geräusche los, Kollegen
fragen, ob sie helfen könnten.) Nach meiner Erfahrung, aber hört
sich ein bellender (sagt man so??) Seehund wie ein röhrendes Kamel
an, wenn er nur im Sandsturm steckt. - Im Sandsturm sind alle geich! Da
bin ich mir sicher!
J.K.G. O.K., lass ich gelten, (wieder: kurze Pause) Es fehlt noch
was -In diesem Sandsturm soll man noch etwas anderes hörent.
A.W. Ja, was denn?
J.K.G. Die Geräusche einer mit Feigen überfütterten
Prinzessin mit Darmproblemen, (nach kurzer Denk-und Konzentrationspause)
A.W: Naja, dann mach ich mal...
Damals war zum ersten. Mal pünktlich zum Schellen das Lehrerzimmer
wie leergefegt!